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Wirklichkeit und Abstraktion

 

Auszug aus der Rede zur Eröffnung der Ausstellung „AbstRacT“ von Wolfgang Steck (Brigitte Seidel; Wolfratshausen, Gut Bergkramerhof, 22. Juni 2017)

 

... Wir sind nun bei der künstlerischen Technik angelangt, die Wolfgang Steck für seine Arbeiten wählt. Abstrakte Kompositionen auf der Basis digitaler Fotografie. Auch er führt weg von einem ursprünglichen Gegenstand und schafft eine Wirklichkeit, die auf nichts anderes verweist und nur die Wirklichkeit des jeweiligen Bildes und seines Betrachters ist.

Den ungewöhnlichen Blickwinkel auf die Welt hat ihm bereits in jungen Jahren sein Taufpate in einer Art Schlüsselerlebnis vermittelt, als dieser ihm empfahl, auf einer Parkbank nicht zu sitzen, sondern unter ihr hindurch zu blicken. Mit einem Mal schien die Welt verändert und ihr Faszinosum zum Greifen nah.

In ein Motiv vertiefen, nah ran gehen, den Maßstab verändern, den eigenen Bezugsrahmen verschieben, all dies zeichnet schon die frühen gegenständlichen Arbeiten des ausgebildeten Fotodesigners aus und bereitete seinen Weg in die Abstraktion.

Ich habe nun schon mehrfach den Begriff der Wirklichkeit gebraucht. ...Eine Differenzierung des Begriffs Wirklichkeit, welche die Philosophie macht, scheint mir auf Wolfgangs Stecks Werk zu passen. Die Philosophie unterscheidet zwei Wirklichkeiten, eine Wirklichkeit, die eine bloße Möglichkeit ist und nicht verwirklicht wird und eine Wirklichkeit, die notwendig ist und verwirklicht ist. Nur Unmögliches kann niemals Wirklichkeit werden. Wolfgang Stecks abstrakte Arbeiten machen gewissermaßen jene mögliche Wirklichkeit für uns zugänglich.

Wie in seinen gegenständlichen Werken auch findet er zunächst das Besondere im Alltäglichen, den Schatten einer Lamellenstruktur, eine Spiegelung auf dem Wasser, einen Tintenspritzer in einem Wasserglas … Ich möchte nicht versäumen, daran zu erinnern, dass es um den Gegenstand nicht geht. Er bildet lediglich die Basis, einen Nullpunkt vielleicht sogar, von dem aus der Künstler die Expedition in das noch unbekannte Terrain startet. Indem er seine Fotografien bisweilen digital bearbeitet, macht er sich auf in das Reich der Möglichkeiten. Dadurch dass er den Gegenstand verunklärt, kann eine andere Klarheit, eine andere Wirklichkeit zum Vorschein kommen. Seine Entscheidungen trifft er allein auf der Grundlage der künstlerischen Intuition. Diese Freiheit ist das eigentliche künstlerische Moment.

Wie wünscht sich Wolfgang Steck nun den Menschen, der seine Bilder betrachtet? Im Idealfall so freudig bewegt, wie es der Künstler selbst ist, wenn sich dieser „Ja-das-ist-es-Moment“ einstellt, wenn sich die Gegenwart ausdehnt. Das Sein der Bilder hängt vom Sein des Erblickenden ab. Wir können, wenn wir uns darauf einlassen, in einer Art emotionaler Solidarität, mit dem Bild interagieren. …

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